Man muss ein bisschen verrückt sein, um als Dreikäsehoch bereits den Lebensplan "Boogie Woogie-Pianist" zu definieren. Natürlich gehört Mut dazu, ausserordentliches Talent ohnehin - und Schlauheit obendrein. Bei Nico Brina waren alle Zutaten vorhanden. 1977, mit acht Jahren, entdeckte der in Biel geborene Junge beim Nachbarn den magischen Klavierklang, die Faszination "Elvis", die Macht des Rock'n'Roll-Virus. Intuitiv und mit grenzenloser Hingabe tauchte er von da an ein; in die Welt rasender Boogie-Woogie-Rhythmen, schwindelerregender Bassläufe, kunstvoll perlender Melodielinien. Mit Händen, und noch spektakulärer oft sogar mit Füssen. Und eben mit Schlauheit; als er den Fiebermesser mit warmem Wasser boostete, um bei seiner Mutter einen Schulfreien Klaviertag zu erschwindeln. Die List war kein Jugendstreich aus Langeweile; Nico musste bereits damals gespürt haben, dass jene klingenden Tasten für sein Lebenswerk von entscheidender Bedeutung sein würde. Bereits sein erster öffentlicher Auftritt 1984 gab ihm Recht; das Publikum war zutiefst beeindruckt und die Presse sprach vom "King of Boogie".
Trotzdem kein "Shooting Star"-Märchen, keine Schnellschuss-Karriere. Nico ging durch das prägende Stahlband des hard working-Musikers - worüber es aus heutiger Sicht sehr dankbar ist. Hartnäckigkeit und Risikofreude zeichnen ihn während dieser entscheidenden professionellen Startphase aus. Und eben wieder diese Schlauheit, als er bei einem seiner ersten Pianisten-Jobs in einer Spelunke die magere Hundertfranken-Gage nach dem Konzert kurzerhand multiplizierte, dank einer draufgängerischen Schachpartie mit dem Barkeeper. Die Fassung verlor Nico ebenso wenig, als zu Hause der Balkonnachbar ob den pausenlosen Piano-Exzessen wütend mit Scheibenzerberstenden Stühlen um sich warf. "Don't mess around with a pianoman" - war das Fazit der ausgerückten Polizeigarde, und gleich auch der Titel für einen neuen Brina-Song.
Die Karriere nahm schliesslich Fahrt auf; mit der Zeit kam zum Boogie noch der Blues dazu, und diese beseelte Mischung wurde zu seinem Erfolgsrezept. Grosse Pioniere wie B.B.King, Elvis Presley, Ray Charles, Oscar Peterson oder Louis Jordan prägten ihn nachhaltig. Sie lehrten ihn aber auch die entscheidende Lektion der persönlichen Authentizität, denn im Nachahmen oder gar im Kopieren zu verharren, führt letztlich nicht zum grossen Ziel. Nico Brina entwickelte einen unverwechselbaren Stil, und genau diese Eigenständigkeit führte ihn bis weit über die Landesgrenzen hinaus. Sie wurde zum Markenzeichen in Frankreich, in der Karibik, in Kasachstan oder Singapur, bescherte ihm konstanten Publikumszuwachs, Kritiker-Lob sowie eine ganze Menge begehrter Auszeichnungen: Den Schweizer Show-Preis "Prix Walo" (1995), den Eintrag ins Guinness Buch der Rekorde mit dem schnellsten Boogie Woogie "Nico's Highspeed Boogie" (1996), sein Gastspiel 2004 anlässlich der Olympiade in Athen oder die Nominierung seines Albums "Flight 6024" für den "Preis der Deutschen Schallplattenkritik" (2014).
39 Jahre dauert die Reise inzwischen; über 3'500 Konzerte in 19 verschiedenen Ländern, 1'000'000 Kilometer im Tourbus, im Gepäck 19 CDs, eine LP, eine DVD und vier Singles. Nico Brina freut sich noch immer über jeden gespielten Ton - wie ein Kind, als wär's sein allererster Tastenschlag. Mit dem Zahn der Zeit ist noch eine Dimension dazu gekommen: die immense Bühnenerfahrung und das Bewusstsein, dass jeder Tastenschlag auch der allerletzte sein könnte. Dieses bedingungslose Verschmelzen mit der Magie des Augenblicks, gepaart mit seinen unerschöpflichen Ressourcen an Talent, Power und musikalischem Feingefühl, macht aus ihm einen begnadeten Entertainer. Es ist diese glückliche Mischung, die den ein bisschen Verrückten von damals schliesslich zu einem Künstler werden liess. Zu einem Tastenwizard, der sich und seinem Publikum unermüdlich beweist, dass mit dem Feuer eigenständiger Musik jeder Augenblick zu einer Sternstunde werden kann. Und dass die BBB-Kombination "Boogie & Blues & Brina" das perfekte Rezept ist für eine hochpotente Glücksdroge. Ganz ohne Nebenwirkungen natürlich. Text von Richard Köchlin